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Post by Katrin Coquillarde on Mar 15, 2007 16:28:19 GMT -5
Das Königreich der Spielleute Hartwig Büsemeyer
Die Spielleute
Seit dem 11. Jahrhundert wuchs in ganz Europa die Mobilität der Menschen. Nicht nur die Notwendigkeit, neue Siedlungsgebiete zu erschließen, löste große Wanderbewegungen aus; auch die Kreuzzüge und schließlich die Massenwallfahrten zu den heilgen Stätten der Christenheit brachten Hunderttausende auf die Beine. Jahrelange Wanderschaft unter großen körperlichen Entbehrungen wurde dabei in Kauf genommen. Das Heilige Grab in Jerusalem, die Gräber der Apostelführsten in Rom und des Jakobus im spanischen Santiago, der Schrein der Heiligen Drei Könige in Köln waren die vornehmsten Ziele der Pilger, die hier durch Fürbitte oder Ablass auf die Vergebung ihrer Sünden hofften. Andere waren aus beruflichen Gründen unerwegs: Kaufleute und Krämer auf der Suche nach neuen Märkten, Kundschaft und Waren; stimmgewaltige Prediger auf Missionsreisen; Äbte und Mönche im Auftrag ihrer Orden und Klöster; Reisige und Spießknechte, die dem Ruf der immer irgendwo dröhnenden Kriegstrommeln von weither folgten; Kesselflicker, Schäfer und andere mobile Berufe, die nur im Umherziehen ihren Mann ernähren konnten; Handwerksgesellen, die neue Kenntnisse, Kunstgriffe und Techniken erlernen wollten und sich in der Fremde neue Betätigungsfelder erhofften; Boten, Läufer und Kuriere im Auftrag geistlicher und weltlicher Fürsten, letztendlich die Mächtigen selber, die ständig reisen mussten, um ihren empfindlichen Machtapparat wirksam verwalten und kontrollieren zu können. Und schließlich treffen wir auf die von einer schöpferischen Unruhe vorwärtsgetriebenen "Bildungsreisenden" im weitesten Sinne: Maler, Zeichner, Bildhauer, Dichter und Gelehrte, die in fremden Ländern ihre künstlerische und poetische Offenbarung suchten; fahrende Schüler und Studenten, die dem Ruf eines bedeutenden Lehrers folgten und sich singend und betend bis zur nächsten Universität oder Lateinschule durchschlugen; abenteuerlustige und vom Fernweh geplagte Ritter vom Schlage eines Oswald von Wolkenstein. Im Tross der Reisegesellschaften und am Rande der großen Handelswege und Pilgerstraßen wuchs aber auch die Zahl der gesellschaftlich Gestrandeten und Entwurzelten, die meist die nackte Not zur Mobilität zwang und durch Bettel und allerhand fragwürdige Kunststücke ihre Möglichkeiten zum Überleben suchten: hier lagerten Kriegsinvaliden, versprengte Söldner und Deserteure, Kranke, Aussätzige und Krüppel, dem Kloster "entsprungene" Nonnen und Mönche, Bader und Wunderheiler, die vorgaben, mit ihren Arzneien und Zaubergetränken jede Krankheit heilen zu können und doch manchmal nur getrockneten Kuhmist unter die Leute brachten; nicht zu vergessen die willigen Damen des leichten Gewerbes und schließlich die vielschichtige Gruppe derer, die ihre Mitmenschen gegen Lohn mit Musik, Tanz und Kunststücken erfreuten. Diese "Spielleute", deren Ursprünge die Musikwisschenschaft aus einer germansichen wie auch aus einer römisch-griechisch-antiken Wurzel herleitet, waren in jeder Beziehung die am buntesten zusammengewürfelte Randgruppe innerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft. Bedingt durch Geburt und Herkommen, Bildungsstand und die unterschiedlichen Grade ihres handwerklichen Könnens vereinte die Berufsbezeichnung "Spielmann" elde und kriminelle Elemente, hervorragende Musiker und miese Stümper, Personen höherer Herkunft und bettelnde Schnurranten. Da sich die Tätigkeit der fahrenden Musikanten keineswegs nur auf den Gesang und das instrumentale Spiel beschränkte, war auch ihr Berufsbild nur schwer einzugrenzen. Gerade in einer Zeit, in der sich das Lesen und Schreiben eben zaghaft über die Studierstuben der Gelehrten hinaus zu verbreiten begann, waren Sensationen, Informationen und außergewöhnliche Künste gefragt, um die Menschen aus der Einförmigkeit ihres Alltags zu reißen. Was man neudeutsch unter dem Begriff "Showbusiness" zusammenfasst, zeigten die mittelalterlichen Spielleute in vielen Variationen. IN dem aus dem Anfang es 14. Jahrhunderts stammenden Versepos "Karlmeinet" wird ein Unterhaltungsangebot vorgestellt, das von akrobatischen Vorführungen und Zauberkunststücken über die instrumentale und vokale Musik bis hin zu anspruchsvoller Dichtung reichte: Die Spielleute sangen von Abenteuern, von Ereignissen, die in alter Zeit geschehen waren und erzählten auswendig von Minne und Liebe. Sie traten als Riesen auf, flöteten lustvoll auf der Holz- und Knochenflöte und bliesen die Sackpfeife. Schweigend konnte man denjenigen zuhören, die Harfe und Geige spielten. Traurige Herzen wurden mit dem Psalter erfreut. Einige erprobte Meister zauberten aus dem Hut, andere konnten gut die Scheibe drehen und die Zimbel mit den Trommelstöcken schlagen. Die Spielleute lärmten, sprangen, rangen, ließen nach Belieben die Böcke mit den Pferden kämpfen und die Meerkatzen auf den Pferden reiten. Sie tanzten mit den Hunden, zerkauten Steine, schluckten Feuer und bliesen es aus dem Munde wieder aus. Am Ende der bunten Palette folgen die Tierstimmenimittoren, von denen der Chronist berichtet, das sie wie die Nachtigall singen, wie das Reh pfeifen und wie der Pfau schreien konnten. Dabei suchten sie die Nähe und die Auseinandersetzung mit der gaffenden Menge, unterstrichen ihren Vortrag mit witzigen Einwürfen, verstärkten ihn mit lebhafter Gestik und Mimik, betonten großmäulig die eigene Bedeutung, parierten schlagfertig die Zurufe aus dem Publikum, fanden schmeichelnde Worte für diejenigen, die sie lobten und dies auch in klingender Münze zum Ausdruck brachten, und überzogen andere, die knauserten, mit Ironie und beißendem Spott. Dem Spielmann "trug man vielmehr in direktem Umgang alle Wünsche, Beifall sowohl wie auch Ablehnung ungehemmt zu. Die weihevolle Stille einer heutigen Konzertveranstaltung war dem mittelalterlichen Musikliebhaber im allgemeinen noch frem. Musik erklang mehr eingebettet in mehr oder minder gepflegte Gespräche, Spiele und Lustbarkeiten aller Art. Der Spielmann war als aktiver Spielpartner mitten im Geschehen. Er war Vorsänger, Vortänzer, ja selbst als Instrumentalist blieb er beim Reigen und Tanzen nicht bewegunslos stehen." Spielleute waren aber auch "die Journalisten ihrer Zeit, poetische Chronisten, Reiseberichterstatter, wendige Zeitungsträger, die das Dauerhafte neben dem aktuell Flüchtigen in ihr Gedächtnis aufnahmen." Als "öffentlicher Mund ihrer Zeit" nahmen sie das ihnen vornehmlich zufallende Rüge- und Schelteamt mit rücksichtsloser Offenheit wahr, womit sie sich vor allem bei der Obrigkeit Feinde machten und Anlass zu unterbindenden Verordnungen gaben. So klagte man in einer 1530 in Augsburg erlassenen Reichspolizeiordnung auch über das Auftreten leichtfertiger Leute, "die sich auf Singen und Sprüch geben, und darin den geistlichen und weltlichen Stand verächtlich antasten, und zu beiden Seiten gefasset, saynd sie bey den Geistlichen, singen sie von den Weltlichen, und hinwiederum bey den Weltlichen von Geistlichen, welches zu Zwyspalt udn Ungehorsam reicht. Ist unser ernstlich Befehl und Meinung, wo sie betretten, dass sie von der Obrigkeit gestrafft werden". Die Spielleute waren aus den unterschiedlichsten Motiven zu Fahrenden geworden. Den blinden Bettler, der in zerfetzten Lumpen vor dem Kirchenportal kauerte und die Drehleier bediente, hatte die nackte Not auf die Straße getrieben. Andere hatten das Fahren freiwillig zu ihrem Beruf gemacht. Sie beherrschten eine Vielzahl an Instrumenten und alle Spielarten eines Auftritts. Dass aber auch Abenteuerlust und Fernweh das Motiv für eine jahrelange Wanderschaft sein konnte, zeigte beispielsweise der "edle und veste Ritter" Oswald von Wolkenstein, der sich als "Grenzgänger" in den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten bewegte: Einerseits befand ers ich häufig im Gefolge des Königs Sigismund; andererseits bereiste er in Spielmannskleidern ganz Europa, um zu sehen "wie die Welt wär gestat" und zog jahrzehntelang das von vielen Gefahren begleitete Wanderleben der niederen Fahrenden einer sicheren Existenz als begüterter Adeliger auf einem Schloss im Tiroler Pustertal vor. Auch der Wirkunsbereich der Spielleute erstreckte sich über sämtliche Lebensräume und -situationen des mittelalterlichen Menschen. Werd ie obersten Sprossen der musikalischen Karriereleiter erreicht hatte, trat bei Fürstenhochzeiten, Reichstagen und Konzilen vor Kaiser, Königen und Hochadel auf; wer eher schmeichelhafte Töne zustandebrachte, musste sich mit einem Publikum von Handwerkern und Bauern zufrieden geben. Das Ansehen und der soziale Status der Spielleute schwankte zwischen dem eines hochgeschätzten Gastes an den Höfen des Adels, der mit goldbestickten Gewändern, edlen Pferden, Schmuck oder sogar einem fürstlichen Lehen für sein Spiel entlohnt wurde, und dem eines verachteten Tagediebs, der Prügel und Fersengeld bezog und ständig auf der Flucht war. Aber selbst ein begeistertes Publikum von gekrönten Häuptern durfte den Spielmann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man hier in erster Linie seine musikalischen Leistungen beklatschte, während man seiner Person und seinem Lebensstil eher gleichgültig oder mit Abscheu gegenüberstand. Sein Platz war außerhalb der mittelalterlichen Gesellschaft, denn sein unstetes Wanderleben stand in krassem Gegensatz zu einer wohlgeordneten Welt, die durch Sesshaftigkeit, Ständehierarchie und Zunftzwang bestimmt wurde.
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Post by Katrin Coquillarde on Mar 15, 2007 17:19:15 GMT -5
Vor allem die katholische Amtskirche wurde nicht müde, die Geistlichen wie auch die Laien davor zu warnen, sich mit den Spielleuten einzulassen. Zum einen sah sie in den fahrenden Musikanten "weiterwirkende Träger des von ihr als überwunden betrachteten Heidentums", die dem gemeinen Volk halfen, bei Festbräuchen und Fruchtbarkeitsriten den Glauben an die germanischen Götter und Dämonen hochzuhalten, zum anderen waren die Spielleute die Ordner und Vorsänger auf dem Tanzplatz, was den strengen Sittenpredigern geradezu als Inbegriff sündhaften Welttreibens erschien. Für sie stand unzweifelhaft fest, dass Musik und Tanz Werke des Teufels waren, der sich dieser Mittel bediente, um die Menschen vom schmalen Pfad der Tugend abzubringen und zur Sünde zu verleiten. In den Spielleuten hatte der Teufel seine Vollstrecker gefunden - diese waren, wie es in einer Predigt des 15. Jahrhunderts heißt, "des Tufels Mesener, die mit irn Pfiffen und Luten die Andern zusammenruffent eben als der Mesener tut oder als der Hirt mit sim Horn das Vihe zusammenlockt". Folglich war auch das Springen beim Tanzen, wie noch im Elsaß des 18. Jahrhunderts behauptet werden konnte, der Sprung in die Tiefe der Hölle. Mit besonderer Sorge erfüllte die Theologen zudem, dass immer mehr studierte Kleriker offenbar kein kirchliches Amt erwerben konnten und, da sie von irgend etwas leben mussten, als sogennante "Lotterpfaffen" die Lebensform der fahrenden Musikanten annahmen. Wie nahe sich der fahrende Kleriker und der fahrende Spielmann standen, bezeugt auch der Bayrische Landfriede von 1244, wo unter der Überschrift "Über die Fahrenden und die Spielleute" bestimmt wurde: "Kleriker, die eine Laientonsur tragen und die fahrende sind, werden ebenso wie die Laien-Spielleute für friedlos erklärt". Die Ächtung der Spielleute wurde von Seiten der Amtskirche in immer neuen Konzils- und Synodalbeschlüssen niedergeschrieben. Sie waren demnach völlig vom kirchlichen Leben ausgeschlossen, und man verweigerte ihnen die kirchlichen Grundrechte wie eine kirchliche Taufe und ein kirchliches Begräbnis. Nach einem Synodalbeschluss aus Eichstädt von 1435 mussten alle diejenigen auf den Genuss des Abendmahls verzichten, "die ein verläumbt Leben führen, als Gauckler, Zauberer, öffendlich Scholderer, öffendlich Loder, und gelohnt sundlich Spilleuth, gemeinen Frauen und ihren Wirthen". Zudem wurden den Klerikern eine Reihe von Strafen aufgedroht, wenn sie den Musikanten gegenüber nicht die nötige Distanz bewahrten. Prediger wie Berthold von Regensburg sorgten dafür, dass die Meinung der Krichenväter auch in der Volksseele wurzeln konnte. Mitte des 13. Jahrhunderts bereiste der Franziskaner zu Fuß halb Europa und konnte überall, wo sich sein Kommen ankündigte, Tausende von Menschen mobilisieren. Berthold predigte von den "zehen Körn der Engele und der Cristenheit", wobei er die menschliche Gesellschaft mit der des Himmels und der Hölle verglich. Im Himmel gab es demnach ursprünglich zehn Chöre der Engel, von denen der Zehnte abtrünnig wurde und zur Hölle fuhr. Analog dazu teilte er auch die Menschen in zehn Chöre oder Klassen ein. Trotz ihrer Sündhaftigkeit sah Berthold für neun dieser Klassen der Menschen noch eine Möglichkeit, über den Weg der Reue und Buße in den Himmel zu kommen und dem Fegefeuer zu entgehen. Allein der zehnte Chor war insgesamt "abgestürzt" - für ihn gab es keine Rettung mehr. Dazu gehörten die Possenreißer, Geiger und Trommler, und wie sie alle heißen mochten, die Gut für Ehre nahmen. "Was selbst der Teufel nicht zu sagen wagt", so Berthold zum Spielmann, "das sprichst du aus und spuckst somit alles, was der Teufel auch nur in dich hineinschütten kann, wieder aus. Wehe, das du jemals die Taufe empfangen hast! Wie hast du doch die Taufe und den Christenstand verleugnet! Alles, was du erhältst, ist eine Sündengabe, und diejenigen, die dir etwas geben, müssen sich dafür am Jüngsten Tag vor Gott verantworten: Man gibt es dir als Sündengabe, und du nimmst es als Sünden- und Latergabe in Empfang. Verschwinde, wenn du hier irgendwo steckst! Denn mit deiner Arglist und dienem Schmarotzertm bist du von uns abgefallen, und deshalb sollst du zu deinesgleichen verschwinden: zu den abgefallenen Teufeln, denn nach den Teufeln bist du benannt und trägst ja ihre Namen; du heißt Lasterbalg, un dein Kumpan heißt Schandolf. Einer heißt Hagedorn, ein anderer Höllenfeuer, ein dritter Hagelstein. Du trägst eben viele Schandnamen wie deine Kumpane, die abgefallenen Teufel". Dass der Spielmann mit dem Teufel paktierte und ein verdammungswürdiges Handwerk betrieb, hat über die Predigt hinauswirkend in der Volkssage und im Aberglauben, in der bildenden Kunst wie auch im allgemeinen Denken der Menschen seinen Niederschlag gefunden. So zeigten ihn die astrologischen Volksbücher des Mittelalters mit Vorliebe unter der Wirkung "wässriger" Tierkreiszeichen und des "wasseranziehenden" Mondes. Man glaubte, dass der Erdtrabant, der Feuchtigkeit und Unrast symbolisierte, auch den Charakter und die Psyche derjenigen Menschen beeinflusste, die in seinem Zeichen geboren waren. Lunas Kinder, so die Sinnsprüche zu den Illustrationen in einem Hausbuch des 15. Jahrhunderts, "blibet selten an eyner Stat und fahet vil an", sind "lugenhaftig wiser Rede, kalter Nature, (...) unstet und wudnerlich (...) nyman (...) gern unttertane". Das Böse zeigte sich aber auch an Gesimsen, Fensterbänken und Dachreitern gotischer Kirchen, die ein Spiegelbild von Himmel, Erde und Hölle waren und in vielfachen Formen und Symbolen ausdrückten, was Menschen sahen, dachten und empfanden. Musizierende Dämonen, Monster und Fabeltiere mussten hier als Wasserspeier untergeordnete Dienste leisten und dem Zweck dienen, das Treiben der Spielleute verächtlich zu machen. Waren diese teuflischen Wesen erst einmal ins Kircheninnere vorgedrungen, war ihr Aufenthalt mit Vorliebe das Chrogestühl, wo sie von betenden Chorherren und Mönchen als Handlauf oder Sitzstütze benutzt wurden. Die von der Kriche immer auf Neue geschürte Behauptung, Musik und Tanz seien ein Werk des Teufels, fand noch weiterwirkend in den Hexenprozessen des 16. und 17. Jahrhunderts ihren Niederschlag. Während des Dreißigjährigen Krieges, der von den Zeitgenossen mit Fassungslosigkeit als ein unheilvolles Zusammentreffen von Pest, Hunger und Krieg registriert wurde, erreichten die Verfolgungen ihren Höhepunkt und nahmen ein so Schrecken erregendes Ausmaß an, dass sich 1630 der Magistrat der Stadt Straßburg veranlasst sah, ein "Mandat wider das Diffamiren wegen Hexerei" zu erlassen, "weil bald kein ehrlicher Mensch mehr sicher sein mag". Frauen, die man als Hexen verdächtigte und denen das sogenannte Malefizgericht unter unsäglichen Foltern "Geständnisse" in den Mund legte, berichteten während ihrer Prozesse immer wieder von nächtlichen Zusammenkünften mit dunklen Mächten, wobei höllisch musiziert und getanzt wurde und Spielleute den Reigen anführten. In Rufach hatte Barbara Ruelmannin "mit ihrem Buelen, der sich Peterlin geheissen, auf dem Fürstacker Hochzit gehalten, welcher ein Pfiffer aufgespielt"; in Ensisheim sollte es ein böser Geist sein, mit dem die Angeklagte eine ebenso "teufflische Hochzeit" feierte, wobei der hingerichtete Geiger Jocklin den Bogen strick; in Bläsheim war es der Teufel selber, der als schwarzer Mann in schwarzer Kleidung zum Hochzeitstanz rief: "und hbe der Dantz ein halb Stundt gewehret, hetten einen Geiger gehabt, so ein Mensch gewesen, ihr unbekandt". Spielleute fürchteten um ihr Leben, wenn im Zuge solcher Verhöre nach geheimen Plätzen geforscht wurde, an denen Hexen und Teufel mit Musik und Tanz ihren Sabbath hielten. Überall dort, wo getanzt wurde, mussten zwangsläufig Musikanten dabei sein und es war ja nur allzu natürlich, dass die Opfer unter dem Druck der Folter Namen nannten, die ihnen aus ihrem persönlichen Umfeld bekannt waren. Als man 1629-30 in Schlettstadt gegen die "Hexen" vorging, war der "Harpffenista" Alexander Blinckhel ein älterer "im Landt herumb bekannter Spielmann". Nun wure ihm sein Beruf uns seine offensichtliche Beliebtheit zum Verhängnis. Blinckhel wurde gefasst, verhört, und legte ein umfangreiches "Geständnis" ab. Der Satan, so der Spielmann, habe ihm "eine sonderbare Unterweisung auf der Geige" gegeben und mit ihm eine teuflische Hochzeit gefeiert. Er sei "dem bösen Geist" auch willig mit seiner Harfe zu Hexenmahlzeiten und Hexenhochzeiten in die Wirtshäuser gefolgt. Er habe mit seinem Zauber Menschen und Tieren großen Schaden zugefüg, schädliche Nebel über das Obst geblasen, Hagelwetter und Ungewitter über Reben und Wälder gebracht und Teufelspulver auf die Weiden gestreut, um sie zu vergiften. Damit war der Tatbestandt der Hexerei für die Blutrichter in vielen Puntken erfüllt. Am 29. April 1630 wurde Blinckhel auf dem Scheiterhaufen verbrannt und mit ihm flogen seine Geige, Harfe, und seine Noten ins Weltall. Fünf Musikanten der Wothleutezunft, die er im Prozess denunziert hatte, starben auf die gleiche Weise. Nicht nur die teuflischen Spielleute traten als betörende Tänzer und Verführer auf, sondern auch der Tod, dessen Reigen sich niemand entziehen konnte. Vor ihm waren alle gleich; mit der magischen Gewalt seines Spiels holte er Arme und Reiche, Hohe und Niedrige, Kranke und Gesunde, den Greis wie das Kind aus der Welt. Selbst der mächtige Kaiser muss im Basler Totentanz dem Klang seiner Schalmei folgen, wie die Herzogin dem Lautenspiel; auch den Kirchweihpfeifer holt er mit der Fiedel und die Heidin mit der Sackpfeife ins Jenseits.
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Post by Katrin Coquillarde on Mar 15, 2007 17:45:24 GMT -5
Zunächst war auch die weltliche Obrigkeit in ihrer Beurteilung der Spielleute von der Morallehre der alles beherrschenden katholischen Kirche geprägt. Ein anderer Grund für die gesellschaftliche Abwertung ergab sich aus der sozialen Wurzellosigkeit der meisten Fahrenden. Ihre Mobilität, ihr unstetes Wanderleben und ihre Ungebundenheit machten sie nach der Gesellschaftsnorm zu Außenseitern, die den Schutz der Gemeinschaft nicht in Anspruch nehmen konnten. Der Spielmann war schlechthin ein asoziales Element, das sich in einer Grauzone bewegte, wo er für die Mächtigen stets anonym und unkontrollierbar blieb und der "geordneten" Welt als ein ständiges Risiko erscheinen musste. "Vill weniger (mit) den inlendischen Spilleuten", deren Schar man noch überblicken konnte und die sich einer sozialen Kontrolle nur schwer entziehen konnten, verband man mit den "frömbden herlaufenden (...), den Springern, Sprecher, Singer, Geygern, Leyren, Lautenschlachern, Gauchlern, Schalckhnarn und ander dergleichen Landstertzern und leichtfertigen Leuten" alle schlechten Eigenschaften. Denn bei denen, so führt eine Salzburger Landesordnung zur Zeit des Bauernkriegs aus, fände man doch "nichts dann Verrätterey und Beschedigung mit Feur einlegen (...) in Landt zu hausierne und zu stertzen oder die Jarmärkht undKhirchtag zu besuechen und die Leut zu uber lauffen zu helligen". Mit Verachtung schauten auch die Stadtbürger und handwerklichen Mittelschichten, deren Denken und Handeln an zünftische Regeln gebunden und durch unzählige Gesetzte, Regeln und Dienste stark eingeschränkt war, auf einen Beruf herab, der keine Normen kannte; der auf dem materiell nicht Fassbaren, ja unter Umständen sogar auf einer Zurschaustellung und einer Art Vermietung des eigenen Leibes beruhte. Wer wie die Spielleute eine oft zweifelhafte Kunst in marktschreierischer, aufdringlicher Art als Ware feilhielt; nur um des Lohnes Willen, ohne Ansehen der eigenen Person und zum Ergötzen anderer bereit war, jeden erdenklichen Spaß zu treiben, stieß zutiefst an das Ehrgefühl des mittelalterlichen Menschen. Diese Gedanken wurden im 13. und 14. Jahrhundert in eine einzige Formel gebracht und die lautete: "Guot für Ere nemen". Wer Gut für Ehre nahm, also für Geld sang und dafür sein gesellschaftliches Ansehen hingab, das waren die "Gumpelliute, Giger und Tamburer", die, so Berthold von Regensburg, sich dem Teufel verschrieben hatten und geradewegs ins Höllenfeuer marschierten. Somit gehörten die Spielleute wie die Angehörigen bestimmter anderer verachteter Berufsgruppen, etwa die Scharfrichter, Müller, Leineweber und Bader, zu der Klasse der gesellschaftsunfähigen "unehrlichen" Menwschen. "Sie alle waren rechtlos, das heißt unfähig zu gewissen gerichtlichen Handlungen: der Rechtlose konnte nicht Richter, Urteiler, Eidhelfer oder Zeuge sein. Weder Vormundschaft noch Bekleidung städtischer Ämter ist ihm erlaubt. Ihm stand (als Kläger) ferner weder Wergeld noch normale Buße zu, er war lehnsunfähig, und die Handwerkerzünfte nahmen ihn nicht auf". Was die mit dem Makel der "Unehrlichekeit" behafteten Spielleute erwartete, macht ein Blick auf die Rechtsbücher, Stadtrechte und Zunftordnungen des hohen und späten Mittelalters deutlich. Im 1235 erschienenen "Sachsenspiegel", dem ersten und bedeutendsten deutschen Rechtsbuch des Mittelalters, wurdne sie in einem Atemzug mit herumziehenden Schaukämpfern und außerehelich Geborenen diskriminiert, aber immerhin, das sei zu ihrer Ehrenrettung bemerkt, gesellschaftlich höher bewertet als Räuber und Diebe, deren Genossen sie nicht seien. Auch waren sie nicht, wie vielfach behauptet wird, völlig vogelfrei, denn immerhin wurde die Tötung eines rechtsunfähigen "unechten" Menschen wie des Spielmanns und die Notzucht an fahrenden Frauen nach dem Sachsenspiegel mit dem Tode bestraft. In einem Zivilprozess gegen einen ehrlichen, freien, voll rechts- und waffenfähigen Mann war der Spielmann jedoch von vornherein chancenlos. Als Rechtloser stand ihm hier nur eine Spott- und Scheinbuße zu, über die sie den "Schatten eines Mannes" einfordern konnten. Was damit gemeint war, führt der 1274/75 erschienene "Schwabenspiegel" genauer aus: "swer in iht Leides tut, daz man in bezzern sol, der sol ze einer Wende stan, da diu Sunne an schinet, (...) und sol der Spilman (...) den Schatten an der Wende an den Hals slahen. Mit der Rache sol im gebüezet sin". Das bedeutet also, wörtlich umgesetzt,d ass der Angeklagte vor eine von der Sonne beschienene Wand trat, wo der Spielmann den Schattenkopf seines Peinigers mit dem Schwert abtrennen durfte. Man nimmt heute an, dass die Schattenbuße nur rechtssymbolische und formale Bedeutung hatte. Sie wurde auf jeden Fall erhoben, um dem Richter seinen Anspruch auf die Zahlung einer Gerichtsgebühr zu sichern, aber wahrscheinlich nie real vollzogen. Und dennoch symbolisiert die Schattenbuße in einem eindringelichen Bild die niedere Stellung der Spielleute in der mittelalterlichen Gesellschaft. Gestützt auf soclhe Rechtslage und vielleicht auch unter dem Eindruck eigener negativer Erfahrungen legten die um ihre Sicherheit und ihren Ruf besorgten Stadtoberen den Fahrenden vielerlei Beschwernissee in den Weg. Einige Städte verweigerten ihnen generell den Eintritt; andere ließen sie mit vielen Vorbehalten eine Zeit lang gewähren, schränkten ihre Wirkungsmöglichkeiten aber durch strenge Auflagen und Verordnungen ein. Körperliche Gewalt gegen Fahrende wurde in vielen Städten, wie z.B. in Passau, nicht bestraft. Das dortige Stadtrecht von 1225 bestimmte: "Swer varund Volkch, daz Guet fur Er nimt, schilt oder sleht, daz daz Bluht niht fur chumt und niht toettet, der ein gesezzner Man ist, der ist dem Rihtaer niht dar umb schuldich", und in Hoemburg fügte man noch hinz: "umb den Geslagen auch nicht, denn drei selg, die er im vroelich zu geb". Auch die Hochzeitsordnungen wandten sich nicht nur gegen den übersteigerten Festprunk aller Schichten, sondern auch gegen die Plage der allzu zahlreich hinter den Mauern agierenden fahrenden Musikanten, deren Zahl man durch die Beschränkung auf ein gewisses Kontingent zu kontrollieren versuchte. Das Stadtrecht von Straßburg aus dem Jahre 1200 bestimmte, dass an einer Hochzeitsfeier nicht mehr als vier fahrende Männer und schon gar keine fahrende Frauen anwesend sein durften. Wer als Hochzeiter eine größere Anzahl Fahrender duldete oder erlaubte, dass man Ringe und Geschenke gab, wurde während eines Monats über eine Meile weit aus der Stadt verbannt und durfte erst zurückkehren, nachdem er dem Richter fünf Pfund strafe gezahlt hatte. Wenn schmarotzende Fahrende sich sogar die Freiheit herausnahmen, ungeladen an einer Mahlzeit teilzunehmen, sollte ihnen der Büttel die Kleider wegnehmen und der Gastgeber, der dies erlaubt hatte, ebenfalls eine Geldstrafe zahlen.
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Post by Katrin Coquillarde on Mar 15, 2007 18:14:39 GMT -5
Bei allen Einschränkungen durch die Rechtslage darf trotzdem nicht der Eindruck entstehen, es ließe sich für die Spielleute im 13. und 14. Jahrhundert ein einheitliches Negativbild herstellen. Sicher war ihre theoretische Ächtung druch krichliche Dogmen, Rechtsbücher wie den Schwaben- und Sachsenspiegel und die verschiedenen Stadtrechte beschlossene Sache. In der Praxis, im täglichen Umgang mit den fahrenden Musikanten, wusste man aber durchaus differenzierter zu urteilen: hier lastete der Makel der Unehrlichkeit vor allem auf den niederen Spielleuten. Je mehr man die besseren Kräfte von diesen "Unleut" unterschied und sie als bedingt gesellschaftsfähig klassifizierte, um so erträglicher wurde ihre Lage. Auch einflussreiche Männer der Kirche riefen dazu auf, nicht alle Spielleute gleichermaßen zu verteufeln. Man solle doch, so thomas von Aquin (1225-1274), auch bei der Musik das Nützliche und Gute von dem Verderblichen und Bösen trennen und die Spielleute nicht allein aufgrund ihrer Tätigkeit in den Stand der Sünde setzen. Musikanten, die sich an die sittlichen und religiösen Normen hielten, ihr Spiel nicht zu ungebührlichen Nebenzwecken oder unpassenden Zeiten aufführten, könnten durchaus gute, fromme und mildtätige Menschen sein und erfüllten den Sinn, den Menschen Trost zu spenden. Niemand sündige, der diese Leute in geordneter Weise unterstütze. Ebenso trat Franz von Assisi (1181-1226) nicht als bedingungsloser Gegner, sondern als "Konkurrent" der Spielleute auf und kopierte als wandernder Prediger deren Stil und Auftreten. Er bezeichnete sich selbst und seine Anhänger als "Ioculatores Domini", als Spielleute Gottes, und hielt Tanz und Spiel für legitim, wenn sie im Sinne der Kirche wirkten. Mehrfach ist auch von Klerikern versucht worden, die fahrenden Unterhaltungskünstler in verschiedene Klassen zu unterteilen, um die annehmbaren von den minder zu achtenden Elementen zu unterscheiden. Der Engländer Thomas von Chobham, Bischof von Salisbury (gestorben nach 1233), stellte drei Hauptgruppen fest: Zuallererst waren da die Gaukler und Akrobaten, die ihren Körper entblößten und zur Schau stellten; die groteske Sprünge vollführten und Grimassen reißen konnten und dabei hässliche Panzer und Masken trugen; siw waren verloren, wenn sie ihren Beruf nicht aufgaben. Zur zweiten Gruppe gehörten diejenigen, die zu den Höfen der Fürsten zogen und dort die Anwesenden mit Hohn- und Spottreden eindeckten auch sie sollten ver-dammt werden. In der dritten Gruppe waren schließlich die Musiker, von denen es nach Chobham zwei Arten gab: zuerst diejenigen, die bei ausgelassener Geselligkeit ihre Lieder sangen, womit sie die Menschen zur Sünde verleiteten; auch sie waren verloren. Andere Musiker konnten dagegen gerettet werden - diejenigen nämlich, die von den Taten der Könige und vom Leben der Heiligen sangen, denn sie spendeten den Menschen Trost in ihren Kümmernissen. In diesem Sinne äußert sich im übrigen eine Glosse zum Sachsenspiegel, die ebenfalls dazu neigt, bei der Beurteilung der Spielleute verschiedene Maßstäbe anzulegen. Für den alltäglichen Rechtsgebrauch wird hier 1563 vorgeschlagen, nun zwischen denjenigen zu unterscheiden, "welche auf künstlichen Saitenspielen und Instrumenten nach der rechten Musica spielen", und den Zauberern und Gauklern, die "mit dem Himmelreich und Lotterholz umbziehen und mit den Hunden vor dem Tisch tantzen und desgleichen". Das ganze Mittelalter über war die Haltung der katholischen Kirche gegenüber den Spielleuten von Widersprüchen gekennzeichnet. auch Herrat von Landsberg, Äbtissin des Klosters Hohenburg auf dem Odilienberg im Elsaß (1167-95), vertrat zuerst die Lehrmeinung der Amtskirche, denn sie sagt in ihrem vor 1180 entstandenen Werk "Hortus Deliciarum" (Wonnegarten), die Spielleute seien aller Hoffnung auf das Paradies ledig und in ihrem ganzen Vorhaben die Diener des Satans. Gleichzeitig brachte sie in ihrem Werk der weltlichen Musik und ihren Vertretern ein mehr als gewöhnliches Interesse entgegen, zeigte in mehreren Bildern die typischen Instrumente der Spielleute und ließ "Spilman und Spilwip" sogar ein artiges kleines Marionettenspiel aufführen. So betrachtet war die Beurteilung der Spielleute durch die weltlichen Fürsten und Ritter nun davon abhängig, inwieweit sich diese solcher differenzierten und tolderanten Denkweise anschlossen oder, unter dem Einfluss der asketischen Geistlichkeit, weiterhin im Sine der offiziellen Morallehre der Kirche dachten und handelten und die Spielleute verteufelten. Während letztere Auftritte von solchen "Schalksnarren" brüsk ablehnten, die Fahrenden demütigend lang vor ihren Toren warten ließen oder gar von ihren Höfen fernzuhalten suchten, zeigten sich andere als freundliche Gastgeber, die Spielleute und Gaukler tagtäglich um sich versammelten. So berichtet die sogenannte "Chronicon Alsatiae" des Koenigshoven von der Großzügigkeit des Kaisers: Wenn nämlich die Kurfürsten mit ihren Pferden vor dessen Tisch ritten und "einre abe sas, so gap men das Ros den Spillüten und fahrenden Lüten die vor des Keysers Tysche worent." Auch die in Prag residierenden böhmischen Könige gingen als Gönner der Spilleute in die Annalen ein. Für Wenzel II. war der Umgang mit ihnen offenbar so selbstverständlich, dass er in einer Miniatur der großen Heidelberger Liederhandschrift im Kreise von Musikanten dargestellt wurde und sein Mäzenatentum noch im fernen Elsaß gelobt wurde. Niemand, weder Assur noch Salomon, so ein Colmarer Annalist, habe jemals einen so prächtigen Hoftag gefeiert; dabei sei allen Fahrenden reichlich gespendet worden. Den vernichtenden offiziellen Diffamierungen und der Beurteilung durch die kanonische und profane Gesetzgebung stand also ein ständiges Dulden und Beschäftigen von fahrenden Musikanten an den meisten Fürstenhöfen gegenüber. Diese Widersprüche gipfelten in der Tatsache, dass nicht nur die weltlichen Fürsten, sondern auch der gehobene Klerus Spielleute zu allen feierlichen Anlässen heranzogen. An den Bischofssitzen und in den Klöstern fanden die Spielleute oft das beste und bestbezahlende Publikum; es gab nach Walter Salmen, der auch auf diese "unvereinbare Paradoxie" hinweist, nach dem 13. Jahrhundert "fast keine römisch-katholischen geistlichen Fürsten in Europa mehr ohne Hofspielleute". Wie selsbtverständlich man sich dort im Laufe er Zeit mit der Präsenz der Spielleute abfand, macht auch eine BEstimmung des Straßburger Bischofs Heinrich von Stahleck aus dem Jahre 1252 deutlich, wonach sich die Kleriker seiner Diözese lediglich darauf beschränken sollten, den "Joculatores" Nahrung zu geben - jedoch keine allzu üppigen Geschenke. Demnach hatte auch die Amtskirche im 13. und 14. Jahrhundert vielerorts ihre ablehndende Haltung und die generelle Diskriminierung zumindest abgeschwächt. Da, wo Spielleute als "des Bischoffs von Costentz (Konstanz) Phiffer" oder "des Bischoffs von Straszburg Lutenschlager" nachweisluch zum Hofstaat eines geistlichen Fürsten gehörten, war es schlechthin unmöglich, dass diese länger exkommuniziert bleiben konnten. Die vorsichtige Öffnung gegenüber en Vertretern der weltlichen Musik zeigte sich auch im Auftauchen ihrer Musikinstrumente im Motivrepertoire der sakralen Kunst: Orgel, Psalterium, Glockenspiel und Posaune wurden darstellerisch sogar den Engeln zugebilligt; es war möglich geworden, sich den als Vorbild dienenden Psalmisten Dvid umgeben von Musikanten vorzustellen. Ganz deutlich muss aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es - gemessen an der Gesamtzahl aller unter dem Oberbegriff "Spielmann" zusammengefassten Musiktreibenden - nur eine verschwindend kleine "Elite" war, deren Lebensumstände sich verbessreten.
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Post by Katrin Coquillarde on Mar 15, 2007 18:27:14 GMT -5
Die Burg, der fürstliche und ritterliche Wohnsitz, war das vornehmste Ziel der Fahrenden. von diesen Inseln vornehmen Lebens, wo sich Reichtum und Macht vereinten, wurden sie so unwiderstehlich angezogen, wie die Geier von den Kadavern und die Fliegen vom süßen Leim. Ebenso wenig wie die Spielleute auf die Burg verzichten konnten, konnte auch die Burg auf die Spielleute verzcithen. Wo Trompeter und Pauker in der Residenz eines Fürsten fehlen, da mangelt es an der Vollkommenheit seines Hofstaates, stellte Cypranus spangenberg 1594 in seinem "Adelsspiegel" fest, und dieser Satz hat sicher für das ganze Mittelalter Gültigkeit gehabt. Musikalische Spitzenkräfte wurden von den Fürsten gesucht und umworben; wer hier als Spielmann zu einer Anstellung kam, der hatte ohne Zweifel den steilstmöglichen Weg auf der spielmännischen Karriereleiter hinter sich gebracht. Was in von der Masse der Fahrenden unterschied, waren neben dem sozialen Ort seines Auftritts natürlich zunächst seine Themen und seine Meisterschaft. "Tristan, der niuwe Spilman" und Held des um 1210 entstanden Versepos des Gottfried von Straßburg konnte "lîren und gîgen / harpfen unde rotten", dass den Zuhörern die Ohren übergingen. Er beherrschte aber auch, was wohl mindestens ebenso wichtig war, "Höfscheit und Vuoge", wusste also um die Lebensform, die Spielregeln und den Umgangston am Hof, und dazu gehörte nicht zuletzt, im richten Augenblick "sprechen unde swîgen" zu können, Hofgeheimnisse nicht zu verraten und zu "schimpfen unde spotten2, wenn es die Spielregeln erlaubten. König Marke, tief beeindruckt vom Auftreten und der Künstlerschaft des Spielmanns, versprach ihm prächtige Kleider und wertvolle Reitpferde, wenn der nur in seinen Dienst treten wollte, und machte ihn zu seinem vertrauten Gesellschafter und persönlichen Waffenmeister. Gottfried von Straßburg kommentiert die Stellung Tristans am Hof nun mit den Zeilen: "sus was der Ellende dô dâ ze Hove ein trût Gesinde". Aus dem Heimatlosen war am Hofe ein beliebter Mann geworden. Diese Darstellung war beileibe keine realitätsferne literarische Fiktion aus der Zeit um 1200, sondern ließe sich, zumindest ein bis zweihundert Jahre später, in fast allen Details mit authen-tischem Quellenmaterial belegen. Demnach konnte ein "hövescher Spilman" vom Schlage Tristans ein Leben ohne tägliche existentielle Ängste führen, solange der adelige Gönner seine Fähigkeiten anerkannte und ihn in ein festes Anstellungsverhältnis übernahm, und das schloss meist auch ein festes Einkommen in Form eines "Jahrgeldes" ein. Am Sitz des Fürsten hatte der Spielmann vor allem den Hofdienst zu versehen: Er spielte bei Turnieren, auf der Jagd und bei Festgelagen auf, übernahm, wie Tristan, zuweilen die Rolle eines Hauslehrers für Gesang, Instrumentenspiel und fremde Sprachen; er gab sein Wissen um die "Morâliteit", die höfischen Sitten, weiter und war musikalischer Trostspender in allen Lebenslagen. Aber er sollte den Fürstenhof auch nach außen repräsentieren, begleitete seinen Herren auf diplomatischen Reisen, bei feierlichen Empfängenk, Krönungsfeierlichkeiten, Fürstenhochzeiten oder Fürstentagen, wobei der Herrscher Gelegenheit bekam, zu zeigen, was er zu Hause hatte. DIe Aufgaben beschränkten sich nicht immer zwingend auf rein musikalische Dienste. Vielfach bezeugt sind auch die Sondereinsätze von höfischen Musikanten, sei es, um Boten- und Geschäftsgänge zu tätigen, Geschenke zu überbringen, "heymelige" Dinge auszukundschaften oder kleinere diplomatische Aufgaben zu übernehmen. Auch bei solchen Ausfahrten standen sie unter dem "Schutz und Scherm" ihrer Brotgeber; so lässt Herzog Siegmund von Tirol 1482 für seinen Trompeter Hans Lang folgendes Schreiben verfassen: "An Heinrich von Stein. Uns ist angelangt, wie Hans, Trumeter, unser Diener, und ander uns zugehörend und verwont vor dir nit sicher sein und du in gedroet sullest haben. Begern wir an dich im Ernst, du wellest in und die anderen sichern und in ungueten nicht wider sy furnemen, auch da sy vor dir und den deinen frey handeln und wandeln mugen in unseren und iren Geschäften, als wir uns das zu dir gantz versechen". Eine weitere Möglichkeit, sich durch die Unterstützung eines Fürsten vor Verfolgung und Repressalien zu schützen, war folgende: Der Spielmann blieb in der Hauptsache Fahrender, ließ sich aber von einem fürstlichen Gönner ein Begleitschreiben ausstellen, mit dem er sich überall als des "romischen Konigs Pfiffer", des "Bischofs von Straszburg Trumeter" oder "desz von Rappoltzstein Bleser" legitimieren konnte. Dieses Begleitschreiben, das sogenannte "Instrument", schützte ihn dabei auf allen Wegen vor den Anfeindungen übel gesinnter Zeitgenossen und empfahl ihn überall als hervorragenden Musiker, denn in ihm war der eigene Name mit der Adresse eines Mächtigen verknüpft. Wer ein solches Schreiben im Gepäck hatte und dazu den Wappenschild eines Adeligen an der Brust trug, wurde auch unterwegs bevorzugt behandelt und war kaum auf die Gunst der gemeinen Leute angewiesen, sondern versuchte seine Kunst an anderen Fürstenhöfen und bei der städtischen Oberschicht zu verwerten. An den Kanzleien dieser feinen Adressen wurde über die Auftritte fremder Spielleute und deren Bezahlung sehr genau Buch geführt. So vermitteln etwa die Stadtrechnungen von Basel ein bewegtes Bild vom Verkehr der fremden Spielleute, die auftraten, um das Ansehen ihres Hofes zu unterstreichen und ihren Sold durch ein "Opfergeld" aufzubessern. Im 15. Jahrhundert gastierten hier die "Spillute des Keysers", der Könige von Ungarn Savoyen und Sachsen, der Pfalzgrafen bei Rhein, von Badern, Brandenbrug und Württemberg, der Grafen von Katzenelnbogen, Fürstenberg und Friburg, der Herren von Lichtenberg, er Erzbischöfe von Köln, der Bischöfe von Basel, Freising, Konstanz, Magdeburg, Mainz, Münster, Straßburg und Trier und die Vertreter vieler deutscher Städte.
Fortsetzung folgt!
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