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Post by Fenia Rüerenzumpf on Sept 17, 2009 4:48:51 GMT -5
Nur kurz ein Post von einem Text, den ich gerade gefunden habe. Wird noch in lesbare Form eines Aufsatzes gebracht und ergänzt (ist mehr ein Memo für mich). Aus Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas - 1000 Jahre Wetter, Klima, Katastrophen Teil II: 1000 Jahre Hitze, Fluten, Eis und Sturm Klima von 1000 bis 1500, S. 87-92
Die Verhältnisse des Herbstes 1413 können wieder recht genau rekonstruiert werden. Nach einer dreiwöchigen Regenperiode, die in Nürnberg am 10. September einsetzte, gab es am vor dem 29. September vier Tage schönes Wetter, das durch einen Frosteinbruch am 7. Oktober beendet wurde. Von da an war der Herbst sehr trocken. In der Gegend von Meißen setzte am 14. September nach einen Sturm Dauerregen ein. 1414 gab es in Franken einen reichen Herbst, also eine große Menge Wein, was eher für gemäßigte Temperaturen und ausreichenden Niederschlag spricht. 1419 zerstörte ein Hagel am 6. September im Raum Stuttgart die Trauben und Ende des Monats fiel im Raum Basel eine Menge Schnee, der liegen blieb. Im nächsten Herbst, 1420, war das Wetter wieder schön, allerdings gab es am 25. November im Raum Augsburg, Konstanz, Speyer und Straßburg ein Unwetter. Anhaltende Regenfälle ließen die Weser zwischen dem 30.Oktober und dem 10.November 1423 über die Ufer treten. Klosterneuburg meldet 1425 eine gute Weinlese, 1426 Nürnberg das Gleiche.
Erst ab 1430 änderte sich diese Grundtendenz wieder. Die folgenden Jahrzehnte weisen positive Werte auf, so dass man insgesamt von einer relativen Gunstphase sprechen kann. 1431 gab es ein ausgesprochen gutes Weinjahr, in dem sowohl die Menge als auch die Güte hervorragend waren, Allerdings melden die Münchener Quellen wieder Ausgaben für Stürme im Oktober. In Süddeutschland fror es erst vergleichsweise spät Ende November. Über das regionale Muster geben tschechische Quellen Auskunft: In Tschechien verlief der Herbst kühl und regnerisch. 1434 war in Nordeutschland der Oktober unstet, ebenso 1435 als nach Quellenangaben aus Bad Windsheim ein "ungestümer herbst von Geweßern, und Sturmwinden" (Chr. von Bad Windsheim, StA Bad Windsheim) herrschte. Eine reiche Ernte und viel Wein konnte 1439 in Nürnberg eingebracht werden (Abb. 25). Im November 1442 fiel sehr viel Schnee im Rheinland, während in Süddeutschland dieser Herbst als kalt und trocken eingestuft wurde:
"Des jars ward es so kalt um den herbst und das ertrich so trucken, das der stat Costenz wasserstuben großen bresten an wasser hettent und kunt man daby nit pfächten und must zu Stadelhofen und am see pfächten." (Konstanzer Chronik, Mone 1848)
1445 wüteten Hagelunwetter und Stürme, für die Hexen verantwortlich gemacht, verurteilt und schließlich hingerichtet wurden:
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Post by Fenia Rüerenzumpf on Sept 17, 2009 10:37:52 GMT -5
Weitere Notizen (aus: Glaser, Rüdiger: Klimageschichte Mitteleuropas)
Winter 1400 - 1410: feucht, mäßig kalt Frühling 1400 - 1410: mäßig feucht, ziemlich kalt
Winter 1410 - 1420: feucht, warm Frühling: 1410 1420: eher feucht, eher kalt
Winter 1420 - 1430: mäßig feucht, mäßig kalt Frühling 1420 - 1430: weder feucht noch trocken, mäßig kalt
Winter 1430 - 1440: sehr feucht, mäßig warm Frühling 1430 - 1440: eher trocken, mäßig kalt
Winter 1440 - 1450: eher feucht, sehr kalt Frühling 1440 - 1450: eher feucht, ziemlich kalt
Winter 1450 - 1460: eher feucht, mäßig kalt Frühling 1450 - 1460: ziemlich feucht, eher kalt
Starke Schwankungen von 1400 - 1460 1461 - 1480 wärmer
Dekaden: 1400 - 1410: nasse, kühle Sommer (Überschwemmungen, Stürme), milde Winter 1410 - 1420: wärmere Sommer (Gewitter mit Hochwasser, Trockenheit, z.T. Überschwemmungen), ausgeglichene Winter 1420 - 1430: kalt, nass (21 - 23 und 27 - 29) vs. trocken, heiß (24 - 26), ausgeglichene Winter (z.T. Hochwasser) 1430 - 1440: warme, trockene Sommer (Juni 31: Strum in Augsburg), 33: nass (Überschwemmungen), 37/38: warm (guter Wein), kalte und schneereiche Winter 1440 - 1450: ausgeglichen (heiß vs. kalt, trocken vs. nass), wieder eher milde Winter (z.T. aber auch streng und schneereich) 1550 - 1560: nasse und kalte Sommer (Gewitter, Schnee im Juni), extrem kalte Winter (z.B. Überschwemmungen)
Allgemein: 15. Jhd. = Übergangsphase zwischen mittelalterlichem Wärmeoptimum und kleiner Eiszeit
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Post by Katrin Coquillarde on Sept 17, 2009 13:18:42 GMT -5
Liebe Sonja, danke, dass du diese Informationen recherchiert und eingestellt hast. Wirklich sehr, sehr interessant!
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Post by Katrin Coquillarde on Apr 22, 2010 2:35:33 GMT -5
Das 15. Jahrhundert befand sich in einem erdgeschichtlichen Klimapessimum, das auch als die "Kleine Eiszeit" bezeichnet wird. Die Absenkung der erdgeschichtlichen Durchschnittstemperatur um 1 °C hat eine Verzögerung der Vegetationsperiode um etwa einen Monat zur Folge. Von dieser vergleichsweise kalten Zeit mit ihren langen kalten Wintern und kurzen kalten Sommern zeugen die vielen Wintermärchen und Winterbilder die in dieser Periode entstanden. Aber auch in Gedichten und Liedern sind häufig hinweise zu finden. Oftmals wird der Sommer gelobt, wobei Tulpen und Narzissen (typische Frühlingsblüher) als Sommerblumen aufgezählt werden oder geschildert wird, dass der Mai die Bäume ergrünen lässt. Nicht zuletzt hat die "kleine Eiszeit" die immerhin bis ins 18. Jahrhundert andauerte wohl massgeblich zur Entstehung des Malefizums der Hexen beigetragen. Für die klimabedingten Missernten und Hungernöten - wirtschaftlichen Katastrophen also - musste jemand verantwortlich gemacht werden. Möglicherweise hängt sogar die Vorstellung, dass sich Hexen gerne auf Bergen aufhalten (z.B. Blocksberg) damit zusammen, dass in den höher gelegenen Gegenden, wie Bergdörfern, die Auswirkung des klimatischen Pessimus früher und stärker zu spüren waren und darum eher das Bedürfnis nach einem Sündenbock entstand. Für die Beurteilung der damaligen Landschaftssituation ist die Betrachtung von Gemälden sehr interessant. Zwar gab es auch im Mittelalter schon "künstlerische Freiheit", doch gibt es gewisse, in bestimmten Zeitabschnitten immer wiederkehrende Topoi, die im Hinblick auf die Landschaft darauf schließen lassen, dass tatsächlich die damalige Umgebung dargestellt und nicht irgendein beliebiger Hintergrund gewählt wurde. Grundsätzlich waren zu jener Zeit nur wenige Menschen schriftkundige. Dies hat zur Folge, dass stattdessen die Bilder Geschichten erzählen und mit unglaublichem symbolischen Wert behaftet sind. Als Beispiel soll der "Verlorene Sohn" von Hieronymus Bosch aus dem Jahre 1505 analysiert werden. Zunächst einmal ist ganz allgemein aus dem Bild zu lesen, dass der dargestellte Mann abgerissen ist. Das sieht man nicht nur an den offensichtlich zerlumpten Kleidern und dem Bettellöffel, sondern auch an dem Katzenfell, das bei dem Löffel hängt. Dieses bedeutet nichts anderes, als dass der dargestellten Person "das Fell über die Ohren gezogen wurde". Er wurde "abgezogen". Und zwar in dem schäbigen, brüchigen Haus aus dem er gerade kommt und das bei näherer Betrachtung unschwer als Bordell erkannt werden kann. Darauf weisen nicht nur die Liebesszene in der offenen Türe und die Unterhose, die aus dem Fenster hängt hin, sondern auch die aufgestellte Lanze und das Fass mit offenem Zapfloch, die neben dem Eingang stehen. Viele weitere Hinweise und Symbole sind in diesem Bild versteckt. Vorrangig soll nun jedoch die Landschaftsdarstellung die einen Hinweis auf die Situation um das Jahr 1500 geben kann, betrachtet werden. Zu sehen ist ein einzelner Baum, dem eine tiefe Beästelung gänzlich fehlt und sandige Dünen im Hintergrund. Es ist anzunehmen, dass solche Elemente durchaus das Landschaftsbild im Spätmittelalter prägten, denn nachdem Holz im Mittelalter der wichtigste Rohstoff war kam es zur starken Abnutzung und Misswirtschaft. Vermutlich war das 13. Jahrhundert die holzärmste Zeit des europäischen Mittelalters und die Holzbestände erholten sich nur mäßig und langsam. Folge dessen war ein freigelegter Boden, der Wind und Wetter schutzlos ausgesetzt war, was zur starken Erosion führte. Auf diese Weise entstanden Dünen, die mitunter als "plagenartig" beschrieben wurden. Vermutlich war das Landschaftsbild im späten Mittelalter also von eher mäßiger Bewaldung, Wanderdünen und Verwehungen geprägt.
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Post by Fenia Rüerenzumpf on Apr 22, 2010 10:00:21 GMT -5
Was sind denn für deinen Beitrag die Quellen? Das mit dem Einfluss der "Kleinen Eiszeit" würde ich nicht so sagen. Vor allem der Beginn des 15. Jhd. bildet eher eine Art "Übergangsphase" zwischen dem "Mittelalterlichen Klimaoptimum" und der "Kleinen Eiszeit". In diversen Rekonstruktionen wird ersichtlich, dass sich die kalten Temperaturen, wie sie in der "Kleinen Eiszeit" charakteristisch sind (und in dem Rekordwinter 1715 gipfeln) hier noch nicht so extrem auftreten. Die Absenkung der Temperaturmittel um ca. 1°C (bis zu 2°C) geschah natürlich auch nicht plötzlich und was sicherlich im 15. Jhd. noch nicht so ausgeprägt spürbar wie in den darauf folgenden Jahrhunderten. Insofern ist die "Kleine Eiszeit" ein Phänomen, das zwar im 15. Jhd. seinen Anfang nimmt, jedoch nicht das charakteristische Klima in dieser Zeitepoche dominert. Was die Interpretation von Landschaftsmalereien angeht, gibt das Zeitalter der "Kleinen Eiszeit" sicherlich einiges her. Ich habe aus Kursmaterialien noch weitere Bilder, wenn euch das interessiert. Die Bewaldungsituation wird auf diesem Bild sehr gut erkennbar und ich glaube durchaus, dass man solche Bilder im Hinblick auf die Vegetation interpretieren kann (bildliche Quellen aus dieser Zeit sind eh selten genug ). Ich schaue mal nach weiteren Bildern aus dem Kurs und poste dann erneut.
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Post by Katrin Coquillarde on Apr 22, 2010 10:36:45 GMT -5
Die kleine Eiszeit war heute Thema einer anthropologischen Vorlesung in historischer Umweltforschung.
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Post by Katrin Coquillarde on Apr 29, 2010 2:36:18 GMT -5
Was vielleicht auch noch ganz interessant ist zu erwähnen: das Erscheinungsbild eines klassischen spätmittelalterlichen Baumes war hohe Krone und lange nackte Stämme. Das lag daran, dass das Untergeäst verwertet wurde (Bauholz, Brennholz) etc. Es wurde schlichtweg gebraucht, denn Holz warder wichtigste Bau- und Rohstoff und nach dem 13. Jahrhundert bestand hier akuter Mangel.
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Post by snakekaplan on Apr 29, 2010 15:52:49 GMT -5
Das lag daran, dass das Untergeäst verwertet wurde (Bauholz, Brennholz) etc. Jedes Fachwerkhaus ein kleiner Wald... Von den Kohle-Meilern wollen wir lieber garnicht erst reden...
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Post by Katrin Coquillarde on May 20, 2010 2:27:59 GMT -5
Noch ein paar interessante Punkte zu Mensch und Umwelt:
Holz:
Wie bereits mehrfach erwähnt war Holz im Mittelalter der wichtigste Stoff überhaupt. Diese Wichtigkeit hatte erheblichen Einfluss auf alle Lebensbereiche und erstreckt sich bishin zu kulturellen Gebräuchen. Holz war wichtiger Baustoff. Steinhäuser waren den reicheren Leuten vorbehalten und selbst diese benötigten für Fundament (!!!), Dachstuhl und Gerüst unglaubliche Mengen an Holz. Für den Dachstuhl eines Domes wurden beispielsweise an die 400 alte Eichen verbaut. Besonders wichtig war in unseren Breiten natürlich auch das Beheizen im Winter, das ebenfalls sehr teuer war. Wenn überhaupt wurde meist ein Raum beheizt. Die Badekultur in den Badehäusern die im 15. Jahrhundert entstand gründet mitunter auf der Funtkion als "Aufwärmanstalten". So bekamen Knechte und Mägde beispielsweise kein "Trinkgeld" sondern ein "Badegeld"! Häufig wurde schlechtes Holz verbrannt, was mit Gestank und Rauch einherging. Aus diesem Grund wurden Gewürze wie z.B. Thymian mit ins Feuer gegeben. In unseren Breiten musste zudem das lebenswichtige Salz aus dem Boden gewonnen werden. Dies wurde durch Salzsieden erreicht, was wiederrum Unmengen an Holz fraß. Erst im 15. Jahrhundert kam die Montanindustrie auf. Ähnlich verhält es sich mit der Köhlerei. An den Meilern ist eine Holzkrise (gut vergleichbar mit unserer heutigen Ölkrise) gut daran erkennbar, dass in den Relikten zunächst hartes Holz, dann weiches Holz und schließlich Pioniergehölze, also diejenigen, die nach einer Rodung als erstes wieder schießen, wenn auch mit minderer Qualität, zu finden sind. Von besonderer Wichtigkeit waren auch Fässer, denn sie ermöglichten Handel und Transport von Lebensmitteln. Anders verhielt es sich mit Möbeln. Diese waren im Mittelalter Luxusartikel und meist gut gepflegte Erbstücke. Ein mittelalterlicher Haushalt war nur spärlich möbiliert, da das Holz schlichtweg zu kostbar war. Niedrige Türstöcke und kurze Betten (man legte sich Kissen unter den Rücken und schlief halb sitzend) waren eine weitere Konsequenz daraus, die nach wie vor zu dem Trugschluss führt, die Menschen des Mittelalters seien kleiner gewesen als heutige Menschen. Skelettfunde bestätigen dass das nicht der Fall war. Selbstverständlich gab es auch im Mittealter Größenschwankungen, jedoch ist eine generelle Behauptung wie "der Mensch im Mittelalter war kleiner als heute" schlichtweg falsch.
Tatsächlich war Europa nie so waldarm wie um 1300. Erst etwa 50 Jahre später konnte sich der Wald wieder etwas durch die Pestepedemie erholen, die ein hohes Bevölkerungssterben mit sich brachte. Das führte einerseits zu einer Agrarkrise (die Kunden blieben aus, der Getreidepreis verfiel) und andererseits zu einer mitunter daraus resultierenden Abwanderung aus den Dörfern. Man spricht von der "Agrarkrise und dem Wüstungsprozess", denn nahezu jedes 4. Dorf wurde verlassen und nicht wieder belebt. Die erneute Verwaldung der brachliegenden Dörfer ist durch Pollenanalysen nachweisbar. Dennoch war Holz kostbare Mangelware. Im 14. Jahrhundert wurde in Nürnberg die Fichtensaat erfunden. Seitdem prägen Fichtendunkelwälder das Landschaftsbild, die allerdings nicht natürlich sind und gepflegt werden müssen. Seit spätestens dem 15. Jahrhundert wurden auch Flüsse begradigt.
Je größer und damit holzabhängiger eine Stadt war, desto früher wurden auch Waldschutzmaßnahmen ergriffen. So ist es auch zu erklären, dass Holzfrevel streng verfolgt wurde. Was den holzverbrauchenden Köhler betrifft, so wurde dieser verlagert und in ein stadtfernes Gebiet verbannt. Das teuerste Holz war im Übrigen das Eibenholz. Da englische Bogenschützen berühmt dafür waren nur wegen ihren Bögen aus Eichenholz so gut zu schießen, wurde im Krieg vom Deutchen Orden sogar ein "Ausfuhrverbot für Eibenholz" verhängt, in der Hoffnung den Feind damit zu schädigen.
Tiere:
Informationen über die Beziehung zwischen Tier und Mensch im Mittelalter sind einerseits aus den ethnogeographischen Darstellungen, andererseits aus archäozoologischen Funden (Schlachtabfälle) zu gewinnen. Die Mentalität des Nutztiers im Mittelalter ist mit unserer heutigen nur noch schwerlich zu vergleichen, denn im Mittelalter wurde alles verwertet. Während wir in unserer heutigen Zeit Nutztiere in großen Massen produzieren und nur einen Teil verwerten und den großen Rest der Biomasse wegwerfen oder minderwertigeren Industriezweigen (Tierfutterindustrie etc.) zuführen, waren Klein- und Innenteile im Mittelalter Hauptnahrungsbestandteil der einfachen Bevölkerung. So durfte man altes, riechendes Fleisch z.B. zwar nicht mehr auf dem Markt verkaufen, sollte es aber den Armenhäusern zukommen lassen. Hauptfleischlieferant war das Schwein, das vom Äußeren einem Wildschwein glich, jedoch an seinem Ringelschwanz gut als domestiziertes Tier zu erkennen war. Die Schweine wurden zur Eichelmast in die Wälder getrieben, aber auch in den Garten gelassen, weil sie dort den positiven Nebeneffekt hatten, umzugraben. Auch in den Straßen durften die Schweine herumlaufen und erledigten dort eine wichtige Abeit als Müllbeseitiger. Das mittlere Schlachtalter eines mittelalterlichen Hausschweines lag bei 2,5 Jahren, das mittlere Schlachtgewicht bei etwa 40 kg. Rinder, die wesentlich kleiner waren als heute, wurden zwar auch gegessen (Schlachtgewicht um die 100 kg) waren aber auch wichtige Milchlieferanten (ca. 250 l im Jahr) und Arbeitstiere. Dass sie vor den Pflug gespannt wurden und harte Arbeit zu verrichten hatten ist einerseits an Druckstellen an den Hörnern zu sehen, andererseits an Banscheibenvorfällen und Hüftschäden. Die innerstädtische Tierhaltung hatte nebenbei die Infektion mit Tuberkuluse zur Folge. Ziegen und Schafe (ähnlich den heutigen Heidschnucken) sind häufig bei den Schlachtabfällen zu finden. Anders verhält es sich mit Pferden. Als teure Tiere, die Hafer fraßen (der auch für die Menschen wichtiges Nahrungsmittel war) waren sie vornehmlich Reittiere, die der reicheren Bevölkerung vorbehalten waren. Geschlachtete Tiere waren meist älter als 15 Jahre und hatten ihre Nutzdienste abgeleistet, was an Wirbelbrüchen und anderen Reitspuren festzustellen ist. Im Spätherbst wurden regelmäßig große Schlachtfeste abgehalten. Zu diesen Zeiten gab es Überfluss und viel wurde eingelagert. Diese Feste hingen damit zusammen, dass es schwer war das Vieh über den Winter zu bekommen. So ist auch der Begriff des "Schwanzviehs" entstanden. Häufig waren die Tiere durch Nahrungsmangel über den Winter so erschöpft, dass sie "am Schwanz" aus dem Stall "gezogen" und auf die Weide gestellt werden mussten. Natürlich hatte der mittelalterliche Mensch auch schon den Hund als Gefährten. Vom Schoss- bis zum Jagdhund gab es die unterschiedlichesten Rassezüchtungen. Allerdings sind auch an alten Hunden oft Schlachtspuren zu finden, so dass davon auszugehen ist, dass zumindest das Fell noch weiterverwendet wurde.
Was das Jagdwild betrifft, so dominierte der Rothirsch. Da es auch hier galt alles zu verwerten was es zu verwerten gab, waren die Platzhirsche mit ihren mächtigen Geweihen von besonderer Bedeutung. Aus diesem Grund wurden sie gezielt bejagt. Erst spät erkannte man die verheerende Wirkung die es auf das Ökosystem hat, den sich fortpflanzenden Hirsch mit dem besten genetischen Material systematisch zu bejagen. Reh und Wildschwein waren ebenfalls beliebtes Jagdwild. Auch Elch und Auerochse waren heimisch. Aufgrund seines süßen Fleisches wurde auch gerne der Dachs gegessen und Biber und Fischotter (fischähnliche Schwänze) galten als Fastenspeise. Einige Tiere wurden auch nur ihres Felles wegen bejagt. Das ist daran zu sehen, dass in den Schlachtabfällen nur die Füße bzw. Pfoten zu finden sind. Die Tiere wurden nämlich bereits im Wald abgezogen. Darunter fallen Füchse, Marder oder Eichhörnchen. Ob es eine gute oder schlechte Zeit war ist auch daran zu sehen, ob Hasenknochen oder Hasenpfoten im archäologischen Fundgut dominieren. Kleinwild wird nur gegessen wenn das Großwild ausbleibt, wenn genug Großwild da ist, kann man es sich leisten, das Kleinwild des Pelzes wegen zu jagen. An den Hasen ist im übrigen auch die Rodung der Wälder gut nachvollziehbar. Dominieren Hasenknochen so spircht das für wenig Wald und viel freies Feld, da das den Lebensraum des Hasen darstellt. Wölfe galten als Plage. Bären sind selten zu finden, die Jagd war gefährlich und das Erlegen eines Bären gilt als Statussymbol.
Umweltbezogenes Recht:
Schon im Mittelalter hat man gewusst, dass das Handeln des Menschen Konsequenzen hat und dass die Ausrotten bestimmter Tierarten letztlich dem Menschen zu Schaden kommt. Dennoch war das Wissen um die Bedeutung des Eigenen Handelns insofern eingeschränkt, als dass man in einer streng christlichen Gesellschaft im Glauben an einen Schöpfer lebte, der zwar als einziger schöpfen, aber auch als einziger zerstören konnte. Man glaubte also, dass einzig Gott in der Lage wäre die Natur wirklich nachhaltig zu zerstören. Im Zuge dessen wurden jedoch auch Umwelteinbrüche als göttliche Prüfung oder Strafgericht angesehen.
Die Einstellung zum Tier ist aus zahlreichen Rechtsquellen zu rekonstruieren. Tatsächlich war das Tier im Mittelalter keine "Sache" sondern vielmehr eine wertvolle, mitunter juristische "Persönlichkeit". So wurde Pferdediebstahl seit dem frühen Mittelalter mit der Todesstrafe verfolgt. Schon seit dem 13. Jahrhundert gab es Schonzeiten für Wildtiere und Regulation der Fischerei. Umweltbelastende Betriebe (z.B. Gerbereien) wurden flussabwärts und außerhalb angesiedelt (was im Fluss verschwindet ist weg, aus den Augen aus dem Sinn...). Ebenfalls ab dem 13. Jahrhundert gibt es im Sachsenspiegel Dokumente für Wergeld für unrechtmäßig getötete Tiere mit wertmäßiger Abstufung. Ein vom Wagen überroltes Pferd bringt z.B. mehr Wergeld als ein Schwein ein. Das Strandrecht (also ein gestrandetes Schiff auszuplündern) durfte nicht angewandt werden, wenn noch eine lebende Seele an Bord war... und das bezog sich auch auf eine Schiffsratte!!! Bei Tierprozessen wurde den Tieren eine juristische Persönlichkeit beigemessen. Tierbannungen waren Sache des Kirchengerichtes und traten z.B. ein, wenn ein Tier ein Feld nachhaltig verwüstet hatte. Tierstrafen waren Sache des weltlichen Gerichtes, z.B. wenn ein Tier seinen Besitzer verletzt hatte. Tiere konnten auch in Untersuchungshaft kommen oder gehängt werden. Bei Tierbannungen z.B. der Mai- oder Borkenkäfer bekamen die angeklagten Tiere einen Prokurator zur Seite gestellt, der ihre Sache vortrug und ihre Beweggründe (z.B. davon leben müssen) vortrug und sie als Geschöpfe Gottes präsentierte. Mäusen wurde ein Abzugsrecht gestattet, bevor Katzen auf sie losgelassen wurden. Jugendlichen und Schwangeren Mäusen wurde eine etwas längere Abzugsdauer gestattet. Käfern in Weinbergen wurde eine Tausch angeboten wobei die Kräuter und Pflanzen die auf der neuen Wiese wuchsen, in einer Liste aufgeführt wurden... deutlich zu sehen ist hier der Versuch des Menschen sich in die Natur einzugliedern und sich mit der gottgeschaffenen Natur zu arrangieren und die Bedeutung die Tiere in jeglicher Hinsicht für Menschen in ihrer christlichen Gesellschaft hatten.
die Informationen stammen aus der anthropologischen Vorlesung "Historische Umweltforschung" von Dr. G. Grupe.
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